Galopper des Jahrhunderts

ein Kandidat der Turfkönig-Wahl zum Galopper des Jahrhunderts

vorgestellt von Silvia Wächter

Der schwarzbraune Alchimist war nicht nur hochkarätig gezogen (Graditzer „Heldenfamilie“), er war auch ein Bild von einem Pferd und ihm galten natürlich in Graditz große Hoffnungen. Wie es manchmal bei den nobel gezogenen Vollblütern vorkommt - Schönheit und Adel ist immer mal wieder mit Launen verbunden - war er zweijährig noch sehr heftig. Nachzulesen in den Annalen des Badener Zukunfsrennens: Wer drehte sich vor dem Start wie ein Kreisel und gewann trotzdem?

gez. 1930 v. Herold - Aversion v. Nuage
Züchter: Gestüt Graditz
Besitzer: Gestüt Graditz
Trainer: R. Utting

Somit war es eine glückliche Fügung, daß der Hengst solch feinfühligen Jockeys wie Jule Rastenberger und Ernst Grabsch anvertraut war. Aber auch der zweijährige Alchimist war schon im Rennen blitzschnell auf den Beinen und zeichnete sich durch einen unerhörten Antritt aus. Über den wirklichen Jahrgangsbesten waren sich die Experten seinerzeit nicht einig. Erst mit dem überlegenen Sieg in der Kölner-Union gestand man Alchimist die „Pole-Position“ zu.

Das Derby gewann der Graditzer Hengst mit Ernst Grabsch im Sattel Start-Ziel zwar leicht, aber doch nicht so leicht, wie viele angenommen hatten. Bei der via triumphalis auf dem Weg zum Waagegebäude kam es einem ganz peinlichen Zwischenfall. Reichsminister Josef Goebbels, der wie einige andere NS-Größen gerne das Derby zwecks eitler Selbstdarstellung besuchte, drückte in seiner Begeisterung schon vor dem Zurückwiegen und damit regelwidrig die Hand des Parteigenossen Eduard Grabsch zur Gratulation. Die Umstehenden erbleichten, zogen die Luft tief ein, und sahen nichts ...

Alchimist verbesserte sich nach Derby noch einmal. Mühelos gewann er den Großen Preis von Berlin und zeigte im Großen Preis von Baden, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Der Hengst fertigte, unter Höchstgewicht antretend, wirkliche Klassepferde aus Frankreich und Italien mit 3 Längen ab. Eine typische Berufskrankheit, die Entzündung der Kronbeinbeuger, zwang das Gestüt Graditz, den Hengst früher als geplant ins Gestüt zurückzunehmen.

Alchimist: 10 Starts, 6 Siege, 3 zweite Plätze. Aufgestellt als Beschäler wollte bei Alchimist die Sache mit dem Decken zwar anfangs nicht so recht klappen. Als der Hengst sich jedoch in sein neues Dasein eingewöhnt hatte, wurde er zu einem der größten Vererber Deutschlands - durch Schwarzgold, und Birkhahn und die Stammstuten Waldrun und Stammesart wird sein Name in der deutschen Vollblutzucht immer in Erinnerung bleiben.

Die letzten Apriltage 1945, Pressel, rund 50 km westlich von Torgau und Elbe wird ein Treck, der in letzter Stunde von Graditz aufgebrochen war, von der Roten Armee abgefangen... unter den Pferden Alchimist. Die Soldaten versuchen, Alchimist vor einen Wagen zu spannen, der Vollblüter widersetzt sich der unsachgemäßen Behandlung und wird zu Tode geknüppelt. Trauriges, unrühmliches Ende eines großen Pferdes.

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